
[ WEINE ]
5 Hoffnungsträger für den Wein von morgen.
von Michelle Bouffard, Sommelière in den Kanada.
Seit fast zwanzig Jahren beschäftigt sich die kanadische Sommelière Michelle Bouffard mit der Frage, wie Wein und Klima zusammenhängen. Welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Reben hat, aber auch, welche Auswirkungen der Weinbau auf die Umwelt hat.
Diese Überlegungen haben sie zur Gründung von Tasting Climate Change geführt, einer alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz, die die Fachwelt des Weins und des Weinbaus zusammenbringt. Das Ziel dieser Konferenz? Die Branche für die klimatischen Herausforderungen zu sensibilisieren und zu mobilisieren und ihr vor allem die konkreten Möglichkeiten für die Herstellung eines nachhaltigen und umweltgerechten Weins aufzuzeigen. Und zwar dauerhaft.
In der Praxis und überall auf der Welt stellt sie fest, dass Innovationen und Zusammenarbeit bereits Wirklichkeit sind. Denn ja, die Winzerinnen und Winzer von Gigondas können sich durchaus von den in Australien angewandten Techniken Anregungen holen, um mit Trockenperioden fertig zu werden.
In dieser vom Widerstand und der Resilienz geprägten Geschichte, die in den Weinbergen spielt, teilt Michelle mit uns fünf vielversprechende Ansätze, um den Wein von morgen schon heute ins rechte Lot zu bringen und seine zukünftige Ausrichtung ins Auge zu fassen.
01.
Der regenerative Weinbau als nachhaltige Lösung
„An erster Stelle müssen wir uns eine einfache, aber grundlegende Frage stellen: Was genau versteht man unter nachhaltigem Weinbau? Die beste Antwort lautet für mich: regenerativer Weinbau. Die Idee, die dahinter steckt, ist die Anreicherung des Bodens, um die Weinreben autarker und widerstandsfähiger zu machen. Dieser Prozess erfolgt vor allem über die Verringerung oder sogar die Abschaffung von Betriebsmitteln, die Begrünung der Zwischenreihen und den Einsatz von Tieren, die in den Weinbergen weiden. Viele Winzer entscheiden sich für diesen Ansatz, der den Boden in den Mittelpunkt des Systems stellt. Denn der Wein nimmt seinen Anfang mit dem Leben im Boden. Marc-André Sélosse, ein faszinierender Biologe, der an meiner letzten Tasting Climate Change-Konferenz teilgenommen hat, schafft es zum Beispiel zu zeigen, dass die Grundlage der gesamten Arbeit im Weinberg ein lebendiger Boden ist, der reich an Mikroorganismen ist.“
02.
Winzerinnen und Winzer gehen voran und zeigen den Weg
„Mich inspirieren vor allem die Winzerinnen und Winzer, denen es gelingt, sich an extreme Bedingungen anzupassen. Wasser wird zu einer knappen Ressource. So haben sich einige Regionen bereits angepasst und Techniken entwickelt, die den Wasserverlust begrenzen und die Widerstandsfähigkeit der Weinberge stärken. Ich denke dabei vor allem an Gebiete, die mit Trockenheit zu kämpfen haben, wie die Kanarischen Inseln, Santorin, Südafrika oder Australien. Pioniere wie Vanya Cullen (Cullen Wines) in Australien oder Johan Reyneke (Reyneke Wines) in Südafrika haben sich dafür entschieden, auf Pestizide zu verzichten und ihren Ansatz eines biodynamischen oder regenerativen Weinbaus zu vertiefen. Ihre Vegetationsdecken zum Beispiel erhöhen die organische Substanz, fördern das mikrobielle Leben und helfen den Reben, Wasser zu speichern, selbst wenn der der Niederschlag nur in geringen Mengen fällt. Das Ergebnis: Die Böden werden belüftet und das Ökosystem kommt ins Gleichgewicht.“
03.
Geteiltes Wissen als Mittel zur Resilienz
„Neben Trockenperioden sehen sich einige Weinbauregionen aufgrund des durch Feuchtigkeit verursachten Mehltaus mit noch nie da gewesenen Ernteausfällen konfrontiert. Um eine langfristige Anpassung zu garantieren, müssen wir uns für Praktiken aus anderen Ländern öffnen. Ich bin überzeugt, dass wir Lösungen finden und Veränderungen anregen können, wenn wir uns alle an einen Tisch setzen. Ich habe zum Beispiel für die Winzer in Gigondas eine Schulung zum Thema Wassermanagement angeboten, das sich australische Praktiken zum Vorbild nimmt. Es geht nicht um ein bloßes „Copy&Paste“, sondern darum, sich für andere Vorgehensweisen zu öffnen und sie an das eigene Terroir anzupassen. Wie zum Beispiel einheimische, an das spezifische Terroir angepasste Vegetationsdecken zu finden, die nicht mit den Rebstöcken konkurrieren. Die Aussaat von Pflanzen in den Zwischenreihen erhöht nicht nur die organischen Stoffe im Boden, sondern verhindert auch die Erosion, verringert die Evapotranspiration und fördert das Versickern von Regenwasser!“
04.
Eine neue engagierte Generation mit Durchblick
„Der Winzernachwuchs ist sich den klimatischen Herausforderungen viel stärker bewusst. Das Klima ist kein Randthema mehr, sondern ein zentrales Problem. Die jungen Profiwinzer sind sich bewusst, dass sie anders produzieren, Methoden überdenken und Übernommenes in Frage stellen müssen. Da ist vor allem diese Neugier - wie wird es anderswo gemacht -, der Wunsch, zu verstehen, zu experimentieren. Ich denke beispielsweise an Michel Gassier, einen Winzer aus dem Weinbaugebiet Costières de Nîmes in Südfrankreich. Seine Tochter, die nach einem erfahrungsreichen Aufenthalt in Kalifornien auf das Weingut zurückkehrt, brachte ihn dazu, seine Praktiken zu überdenken. Sie sagte zu ihm: „Papa, wir machen Bioweine, aber das reicht noch nicht. Wir müssen auf regenerativen Weinbau umstellen.“ Dieses ständige Hinterfragen ist der entscheidende Punkt.“
05.
Die fundierten - und aufschlussreichen - Entscheidungen der Verbraucher
„Verbraucher spielen eine entscheidende Rolle: Kaufen ist wie ein Gang zur Wahlurne! Heutzutage wollen immer mehr Menschen bewusste Entscheidungen treffen und umweltfreundliche Produkte unterstützen. In Nordamerika ist die Zertifizierung „sustainable“ ein echter Erfolg, da sie als ganzheitlicher Ansatz noch stärker ist als die wörtliche Übersetzung „nachhaltig“ wahrgenommen wird. Über die Etiketten und Gütesiegel hinaus suchen wir oft den Umgang mit Gleichgesinnten. Doch mitunter ist es überaus hilfreich, unbequeme oder schwierige Gespräche zu führen, um einen Funken zu entzünden und etwas ins Rollen zu bringen.“
Illustration - Ambre Verschaeve
„Die Illustratorin Ambre Verschaeve hat ihre Ausbildung in Paris am Atelier de Sèvres begonnen und an der Genfer Hochschule für Kunst und Design fortgesetzt, wo sie 2018 ihren Bachelor in Visueller Kommunikation erhält. Ihren farbenfrohen Stil stellt sie in den Dienst detaillierter Illustrationen, die von der Natur inspiriert sind. Pflanzen, aber auch Landschaften und Tiere, die ihr auf ihren Spaziergängen und Reisen begegnen, stehen im Vordergrund: „Ich liebe es, üppige und detaillierte Welten zu schaffen, Zeichnungen, in die man eintauchen kann. Landschaften, in denen ich mich selbst verlieren möchte, wie Zufluchtsorte.“ Ihr bevorzugtes Instrument sind Buntstifte im Allgemeinen und die Farbstifte Luminance 6901 © im Besonderen, wegen ihrer leuchtenden Farben und ihrer cremig-weichen Textur.“
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